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Lisa

Die englische Geliebte von Marguerite Duras

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Kurzbeschreibung:

Den bestialischen Mord an der taubstummen Marie-Thérèse Bousquet kann sich in Viorne niemand erklären. Man findet Teile ihrer Leiche in Eisenbahnwaggons überall in Frankreich. Offensichtlich wurden sie von einem Viadukt auf die fahrenden Wagen geworfen. Nur der Kopf bleibt verschollen. Die Kriminalpolizei kommt in die kleine Stadt, besucht das örtliche Café, stellt Fragen, versucht dem Mörder auf die Spur zu kommen. Hauptleidtragende sind Claire und Pierre Lannes. Marie-Thérèse war die Kusine von Claire und hat dem Ehepaar den Haushalt geführt. Da plötzlich, obwohl noch keinerlei Verdacht auf sie fiel, gesteht Claire Lannes den Mord. Ein Motiv scheint sie nicht zu haben, und sie scheint auch keine Reue zu empfinden...

 

Über den Autor:

Marguerite Duras wurde am 4. April 1914 in Giadiuh (Vietnam) geboren. 1932 kam sie nach Frankreich und studierte in Paris. Als Mitglied der Résistance wurde sie von den Nazis nach Deutschland deportiert. Nach dem Krieg arbeitete sie als Journalistin. Sie wurde weltberühmt durch die Filmnovelle "Hiroshima mon amour". Einige der in deutscher Sprache erschienenen Werke: "Hiroshima mon amour", "Der Liebhaber", "Der Schmerz", "Die Verzückung der Lol V. Stein", "Ganze Tage in den Bäumen", usw.

 

Meine Meinung:

 

- Alles, was hier gesagt wird, wird auf Tonband aufgezeichnet. Ein Buch über das Verbrechen von Viorne beginnt zu entstehen.

 

So beginnt "Die englische Geliebte". In drei Teilen interviewt ein namenloser Fragender, von dem man zu Anfang nicht weiß, ob es ein Mann oder eine Frau ist, drei Leute zu dem Verbrechen in Viorne. Zuerst Robert Lamy, den Besitzer und Betreiber des Cafés Balto, jenem Café, in dem sich Claires der Kriminalpolizei als Mörderin zu erkennen gibt. Dann wird Pierre Lannes, ihr Ehemann befragt. Und im dritten und letzten Teil sie selbst.

 

Dieses schmale Büchlein (153 Seiten), rekonstruiert mündlich das Entstehen eines Verbrechens. Dabei wird aber vor allem das Schweigen und Verdrängen deutlich, das die Beziehungsgeflechte der Hauptakteure beeinflusst hat. Über Jahre hinweg hat Claire langsam den Kontakt zu ihrer Umwelt verloren, sich in ihrem Garten auf der Bank sitzend immer mehr in sich selbst zurückgezogen. Im Garten, wissen Sie, mein Herr, hatte ich einen Deckel aus Blei über meinem Kopf. Die Gedanken, die ich hatte, hätten diese Deckel durchdringen müssen, damit ... damit ich, sagen wir mal, ruhig gewesen wäre, aber es gelang ihnen nur sehr selten. Am häufigsten fielen mir die Gedanken wieder darauf zurück, sie blieben auf dem Deckel liegen, ein Gewimmel, und es war so mühselig, dass ich verschiedene Male daran gedacht habe, mir das Leben zu nehmen, um nicht mehr zu leiden.

 

Zu Anfang ist der Frager noch von Claires Unschuld überzeugt, doch als er Claire selbst interviewt, spitzt sich der Wortwechsel zwischen den beiden immer mehr zu. Bis er in einem letzten Ausspruch von Claire endet, der alles zu beinhalten scheint, worauf es in dieser Geschichte ankam: Ich an Ihrer Stelle, ich würde zuhören. Hören Sie mir zu.

 

Außer Alfonso, einem Waldarbeiter, hat niemand Claire zugehört. "Die englische Geliebte" ist weniger ein Kriminalroman als das Psychogramm einer Frau, die nach einer großen Enttäuschung nicht mehr in der Lage ist, ihre Wünsche und Sehnsüchte zu verwirklichen. Marguerite Duras enthüllt nach und nach Claires eigene Welt, enthüllt nach und nach, was in ihr vorgeht. Claires Wahn zeigt sich, aber nicht plakativ oder "laut", er schleicht sich langsam in die Zeilen ein, verändert ihre Sprache, verschiebt die "Inhalte".

 

"Die englische Geliebte" ist kein einfaches Buch, und wie gesagt kein klassischer Krimi. Es werden viele Dinge nicht aufgeklärt. Aber mich hat Duras' Darstellung dieser Frau, deren Weg direkt auf das Verbrechen zuging, sehr beeindruckt. Beeindruckt hat mich auch die Komposition dieser Geschichte: die rein dialogische Erzählweise, die Lücken, die bewusst gelassen werden, die unterschiedlichen Sprechweisen der Figuren.

 

Liebe Grüße

Lisa

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Stephanie Schuster

Danke, Lisa, das klingt ja ganz nach meinem (Lese-)Geschmack. Klingt, als hätte jemand versucht eine andere Form fürs Erzählen zu wählen, jenseits eines FF-Krimischemas.

Zu M. Duras habe ich bisher noch nicht den richtigen Zugang gefunden, werde es aber nun mit diesem Buch probieren :s13.

Übrigens gefällt mir auch Deine Aufteilung der Kritiken.

 

LG Rebecca

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